Out & About: Bezeichnest du dich selbst als Künstlerin?
Julie Pelckmans: Generell ja, aber im Hinterkopf ruft immer eine leise Stimme «Nein». Als angehende Künstlerin, welche sich erst seit August 2021 auf dem künstlerischen Markt frei austoben kann, ist es für mich noch schwer mich als solche zu bezeichnen. Ich habe bis jetzt noch keine Stelle im Animationsfeld ergattert, da diese in der Schweiz rar sind. Auch fehlt mir noch das nötige Selbstbewusstsein.
Was inspiriert dich?
Mich inspiriert die Natur, die Weltgeschichte und meine Liebe für das Dunkle und Makabre.
Wie hast du begonnen?
Mein Interesse für Kunst und Musik hat sich schon sehr früh in meiner Kindheit geäussert. Die Entscheidung, sie zu meinem Beruf zu machen, kam in der Sekundarschule. Der vorgeschlagene Weg dahin war über die FMS mit einem Fokus auf Kunst und danach der Vorkurs für Gestaltung in Basel. Erst im letzten Schritt habe ich mir genauere Gedanken über meine Fähigkeiten und Talente gemacht. Das Jahr dort hat mir die Freiheit gegeben, mich selbst kennen zu lernen und zu entdecken, was mir an der Kunst am meisten gefällt. Mein Fazit war, dass ich Bild und Klang vereinen wollte und diese Möglichkeit hat mir die Animation geboten. Vor und sogar noch während dem Vorkurs hatte ich die Grafik als meine Bestimmung gesehen, habe dann jedoch gemerkt, dass mir diese nicht das Spektrum an Erzählweisen bietet, was ich mir wünsche.
Falls du die Chance hättest, Kunst zu studieren, würdest du es machen?
Im Nachhinein glaube ich, dass das Animationsstudium für mich zu eingeengt war. Ich habe sehr viel über das Animieren an sich gelernt und hatte auch die Chance zu experimentieren. Jedoch durch das eingeengte Zeitfenster, in welchem die Projekte generell stattfanden, habe ich mich nicht vollkommen wohl gefühlt. Die Zweifel, welche ich durch unfertige Projekte oder technische Schwierigkeiten gewonnen hatte, haben mich zu einer zurückhaltenderen Person gemacht als ich vor dem Studium war. Auch führt ein solches Arbeitsumfeld zur Tendenz, sich zu überarbeiten. Jetzt, da ich mit dem Studium fertig bin, frage ich mich, ob die Form eines solchen sich für die Animation eignet oder ob sie nur bestehende Probleme in der Animationswelt fördert.
«Generell (bezeichne ich mich als Künstlerin), aber im Hinterkopf ruft immer eine leise Stimme Nein.»
Denkst du, eine Weiter- oder Ausbildung hätte dich schneller zum jetzigen Stand geführt?
Ich glaube ein Studium ist an sich eine gute Idee. Dieses sollte sich jedoch fokussierter auf Übungen und Techniken sein und im Ganzen länger, damit man sich Zeit für ein grösseres Projekt nehmen kann. Auch finde ich ein solches Studium sollte flexibel sein, damit eine gute Idee, welche den Ramen eines Projektes springt, trotzdem ausgeführt werden kann. Auch braucht es mehr Unterstützung, von erfahrenen Berufsleuten, welche bei Techniken, Zeitproblemen oder anderem behilflich sein können.
Verdienst du durch deine Kunst Geld?
Noch nicht genug, um davon zu leben, aber Hoffnung stirbt zuletzt. Um mir ein eigenes Puppentrick-Studio einzurichten, muss ich zuerst etwas stabiler im Leben stehen, daher würde mir eine Arbeit im kreativen Bereich unter die Arme greifen. Meine Fähigkeiten sind sehr breit und ich könnte auch ausserhalb der Animation eine Stelle finden. Momentan suche ich neben der Animation im Bühnenbau, Verkauf, Film-Schnitt, Audio-Bearbeitung, Film-Vorproduktions- und im Film-Dreh Bereich.
Hast du noch zusätzliche Einkommensquellen?
Viele Stellen, welche freischaffende Künstler normalerweise neben ihrer Arbeit haben, sind wegen Covid weggefallen oder die Arbeitgebenden haben Existenzprobleme, welche sie vom Einstellen neuen Personals abhalten. Dies hat es mir erschwert, neben und nach einem Studium eine zusätzliche Einkommensquelle zu finden. Ich habe das Glück, dass meine Eltern mich für den Moment noch unterstützen und ich mich auf das Bewerben konzentrieren kann. Eine Stelle in meinem Arbeitsfeld zu finden wäre schon ein Traum.
«Ich glaube ein Studium ist an sich eine gute Idee. Dieses sollte sich jedoch fokussierter auf Übungen und Techniken sein und im Ganzen länger, damit man sich Zeit für ein grösseres Projekt nehmen kann.»
Hast du schon mal deine Werke ausgestellt?
Nein habe ich noch nicht. Jedenfalls nicht ausserhalb eines schulischen Rahmens. Bis jetzt habe ich noch keine Arbeiten, welche mich als Künstlerin wirklich repräsentieren und da ich in einem Feld arbeite, wo eine Minute Animation ein Monat Arbeit bedeuten kann, habe ich noch nicht den Platzt und die Möglichkeit gehabt, etwas herzustellen, womit ich mich identifizieren kann.
Hast du einen Tipp für angehende junge Künstler*innen?
Mein Tipp wäre, wenn man jung ist, sich mit so vielen verschiedenen Künstlerischen Methoden und Ausdrucksmöglichkeiten bekannt zu machen, wie möglich. Wenn man dann eine Idee hat für ein Projekt oder eine Arbeit, kann man sich bei dieser Ansammlung an Herangehensweisen bedienen und die passende Technik finden. Man sollte sich überlegen, was die Ausführweise zu der Interpretation und Erscheinung der Arbeit hinzufügt.
«Momentan suche ich neben der Animation im Bühnenbau, Verkauf, Film-Schnitt, Audio-Bearbeitung, Film-Vorproduktions- und im Film-Dreh Bereich.»
Liebe Julie, herzlichen Dank für Deine inspirierende Antworten! Wir wünschen Dir von Herzen alles Gute auf Deinem weiteren Weg als Künstlerin und viel Erfolg bei der Arbeitssuche.
Interview: Ina Bandixen
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In der Interviewserie «Künstler*innen ohne Kunststudium» haben wir Interviews mit Kunstschaffenden geführt, die keine formale Ausbildung in der Freien Kunst haben und unterschiedliche Hintergründe in sich vereinen. Es ist uns wichtig aufzuzeigen, dass das oftmals noch elitäre Denken in konservativen Kunstinstitutionen für viele Personen eine Barrikade darstellt, etwa dann, wenn diskriminierende Strukturen, rassistische und sexistische Haltungen oder auch finanzielle Schranken den Eintritt ins Studium erschweren. Auf der anderen Seite geht es auch um das Verständnis, dass Lebensläufe nicht immer einer linearen und klaren Linie folgen und dass Umwege und fachfremde Hintergründe einen grossen Mehrwert darstellen können. In der Serie beantworten sieben Kunstschaffende dieselben zehn Fragen zu ihrer eigenen Vita und wie sie dort gelandet sind, wo sie jetzt sind. Sie erzählen von ganz individuellen und eigensinnigen Wegen zur Kunst, die zeigen, wie vielfältig der Weg ins professionelle Schaffen sein kann.