Campus Werkstätte // Foto: Hans-Peter Huser
Innenarchitektur Szenografie // Foto: HGK
Campus Werkstätte // Foto: Hans-Peter Huser
Museumsnacht 2022 // Foto: Elena Ringgenberg
Atelier Industrial Design // Foto: HGK
Broadcast // Foto: HGK
Foto: IDXM
HGK Campus // Foto: Hans-Peter Huser
Industrial Design // Foto: HGK
HGK Campus Freilager // Foto: Hans-Peter Huser
Masterstudio // Foto: HGK
Mediathek // Foto: HGK
Navis Maximus // Foto: Milo Schwager

Prof. Dr. Claudia Perren ist seit 2020 Direktorin der Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW. Sie hat ihr Studium der Architektur 1997 an der Kunsthochschule Berlin Weißensee abgeschlossen, absolvierte von 1997 bis 1998 an der ETH Zürich ein MAS-Studium in Geschichte und Theorie der Architektur und erlangte 2005 ihre Promotion in Architektur- und Kunsttheorie an der Universität Kassel. Danach lehrte Claudia Perren während acht Jahren in den Fachbereichen Design, Architektur und Städtebau an der University of Sydney sowie an der University of Technologie in Sydney. Von 2014 bis 2020 war Claudia Perren Direktorin und Vorstand der Stiftung Bauhaus Dessau sowie Gesellschafterin der Bauhaus Kooperation Berlin Dessau Weimar GmbH. In dieser Zeit verantwortete sie zudem als Bauherrin den Neubau des Bauhaus Museums Dessau. Claudia Perren zeichnete in den letzten 15 Jahren verantwortlich für verschiedenste Ausstellungen, Festivals, Konferenzen, Lehr- und Vermittlungsprogramme, unter anderem in Australien, China, Deutschland, Estland, Finnland, Japan, Mexiko, den Niederlanden und der Schweiz.

 

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Out & About: Von 2014 bis 2020 hatten Sie das Amt der Direktorin der Stiftung Bauhaus Dessau inne. Nun sind Sie Direktorin der Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW in Basel: Sie haben immer wieder Leitungsfunktionen übernommen. Was reizt sie daran?

Claudia Perren: Es ist ein umfassender Verantwortungsbereich – und das reizt mich. Ich habe lange unterrichtet und dabei viele Erfahrungen gesammelt. Dann habe ich angefangen erste Bachelor- und Master-Studiengänge zu koordinieren. Eine Stiftung zu leiten, war ein grosser spannender Schritt und die Leitung einer Hochschule für Gestaltung und Kunst jetzt ist eine wunderbar anspruchsvolle Aufgabe. Nach meiner Erfahrung ist es wichtig, sich immer den nächsten Schritt zuzutrauen. Dabei müssen das keine linearen Entwicklungen sein, sondern sie sollten geprägt von eigenen Interessen und Möglichkeiten sein, die sich eröffnen.

«Start acting!»

Wie vereinbaren Sie Familie und Karriere? Haben Sie Tipps für junge Personen, die potentiell beides wollen?

Mein Tipp ist: Make it work! Wir haben als Familie in den letzten 20 Jahren in Berlin, Sydney, Dessau und Basel gewohnt und immer gemeinsam Wege gefunden, Berufe, Schulen, Interessen und Freizeit zu verbinden. Wir sind ein eingespieltes Team, aber wir haben uns auch immer auf sehr unterschiedliche Bedingungen an den jeweiligen Orten eingestellt. In der Schweiz wird oft die relativ teure Kinderbetreuung als Argument dazu aufgeführt, warum die Frauen nicht arbeiten können. Es ist sicher erstrebenswert, hier ein Angebot zu schaffen, das gleichwertig mit der Schulbildung zu Verfügung steht. Für mich ist interessant: In Sydney sind die Betreuungsangebote für Kinder im Vorschulalter genauso teuer wie in der Schweiz und trotzdem gehen die meisten Frauen arbeiten. Ich ermutige dazu, in eine aktive Rolle zu treten und sich dafür einzusetzen, Dinge politisch und gesellschaftlich zu ändern, wenn sie einem wesentlich erscheinen. Das verstehe ich unter Mitgestalten und führt dazu, von einem passiven Beschweren zum aktiven Handeln zu kommen: Start acting!

An der HGK finden tiefgreifende Änderungen in der Struktur statt. Steckt die Hochschule in einer Krise?

Eine Krise ist für mich die Corona-Pandemie oder der Krieg in der Ukraine. Die Entwicklung einer Hochschule dagegen ist ihre ureigenste Aufgabe. Wir haben umstrukturiert, weil die Strukturen über viele Jahre ausufernd gewachsen sind und bestimmte aktuelle Themen nicht strategisch klar adressiert waren. Das sind aber Entwicklungen, die auch zukünftig fortlaufend passieren werden, d.h. mal sind es grössere und mal kleinere Veränderungen – eine Hochschule muss immer dynamisch bleiben. Seit Februar beschäftigt uns an der HGK sehr, wie wir Studierenden aus der Ukraine Hilfe bieten können. Wir stehen dazu in direkten Kontakt mit Kunsthochschulen vor Ort, sind aber auch unter den Kunstschulen in der Schweiz gut vernetzt und versuchen so vielen Studierenden wie möglich ein sicheres Weiterstudieren zu ermöglichen. Dank des umgehenden Engagements der Laurenz-Stiftung können wir Studierenden aus der Ukraine mit Stipendien unterstützen und dank der solidarischen Hilfsangebote vieler Mitarbeitenden, Studierenden und der Nachbarschaft konnten alle in kürzester Zeit gut untergebracht werden. In einer solchen Krise geht es um enge Zusammenarbeit und die Bereitschaft, umgehend konkrete Hilfe zu leisten.

Was haben Sie im letzten Jahr erreicht?

Wir haben an der HGK viel erreicht. Zuallererst haben wir gemeinsam eine Pandemie bewältigt, das war eine grosse Herausforderung. Unser gelebter Zusammenhalt war dabei eine sehr wichtige Komponente! Ich bin aber auch froh, dass wir gleichzeitig an unseren Inhalten und Strukturen gearbeitet haben, das hat unseren Fokus nicht nur auf die Unsicherheit in der Pandemie gelegt. Wir haben fünf neue Institute aufgebaut, die alle den sogenannten vierfachen Leistungsauftrag erfüllen, d.h. sie bieten Bachelor- und Master-Programme an, sind in Forschung tätig und entwickeln mehr und mehr auch Weiterbildungsangebote. Inhaltlich haben wir uns auf ein paar grössere übergreifende Themen geeinigt: Digitalität, Materialität, Diversität, Nachhaltigkeit und gesellschaftliche Transformationen. Konkret spiegelt sich das z. B. wider im neu ausgerichtete Bachelor-Studiengang Visuelle Kommunikation und digitale Räume in den Weiterbildungsangeboten Circular Design, Decolonizing Digital Archives und Inclusive Storytelling, den Bachelor übergreifenden Workshops zu CoCreative-Coding, und Forschungsprojekten wie Plants Intelligence und Critical Listening to the Global South.
Darüber hinaus sind wir viele Kooperation neu eingegangen und haben bereits bestehende gestärkt, wie z.B. mit der Architektur Woche Basel in unserem neuen CIVIC Space, mit der Hochschule für Musik FHNW beim Open Creation Master, unserem PhD-Programm mit der Kunstuniverstität in Linz oder auch das von Innosuisse geförderte Forschungsprojekt «Almer – Augmented Reality Brille».

Gibt es einen Unterschied zwischen den Führungsstilen von Männern* und Frauen*, die Sie selbst erlebt haben oder mit denen Sie sich auseinandersetzen mussten?

Grundsätzlich denke ich, sollten wir die binäre Einteilung von Frauen und Männern in verantwortungsvollen Positionen verlassen und stattdessen zu einem Selbstverständnis kommen, in dem Diversität grundsätzlich als Vorteil gesehen wird. Die Fähigkeit, eine Institution, einen Studiengang oder ein Forschungsprojekt zu leiten, kann ja nicht ausschliesslich über eine geschlechtliche Zuteilung definiert werden, sondern bildet sich aus Wissenquellen, fachlichen Kenntnissen, kulturellen Erfahrungen, gesellschaftlichen Formen, persönlichen Interessen und vielem mehr.

«Ich ermutige dazu, in eine aktive Rolle zu treten und sich dafür einzusetzen, Dinge politisch und gesellschaftlich zu ändern, wenn sie einem wesentlich erscheinen.»

Es gibt Leute, die sagen, dass sich typische Frauenmerkmale nicht mit dem klassischen Rollenbild einer Führung vereinbaren lassen. Haben Sie den Eindruck, dass Frauen in Führungspositionen entweder als zickig oder schwach gelten?

Was sollen denn typische Frauenmerkmale sein?

Wie erleben Sie die Landschaft von Frauen in Academia? 

Die akademische Landschaft in der Schweiz ist vielfältig und gefällt mir sehr gut.
An der HGK hatte ich die Möglichkeit in knapp zwei Jahren drei Professor*innen und drei Gastprofessor*innen zu berufen. Dabei hat Diversität wie eben angesprochen eine grosse Rolle gespielt. Wir haben vier Frauen und zwei Männer berufen, die vielfältige Themen und Diskurse in Kunst und Design mit an die HGK bringen, von queer-feministischer Technowissenschaft, über Maker Culture und fiktionsbasierten Designmethoden bis zu immersiver Szenografie und Koexistenzen von interdisziplinären Strömungen in der Kunst.

Welche Schritte kann die Organisation HGK unternehmen, um die Laufbahnen von Frauen gezielt zu unterstützen?

Wir haben nach einer Umfrage unter den Mitarbeitenden an der HGK beschlossen, dem Thema «Mitarbeitende fördern» verstärkt Aufmerksamkeit zu geben. Dabei werden wir als Erstes eine Informationsoffensive zu Fördermöglichkeiten starten und diese leicht zugänglich machen. Dabei geht es z.B. um Förderprogramme für PhDs, International Staff Exchange und ein grosses Angebot an Weiterbildungsangeboten, bei denen wir schon viele Frauen fördern. Auch Teamförderung wird eine wichtige Rolle spielen, um Wissen und Austausch zu stärken.

Worin unterscheidet sich Ihr Führungsstil von jenem eines Mannes?

Das kommt auf den Mann an.

Würden Sie als Mann mehr verdienen?

Nein. In den Institutionen, in den ich bisher gearbeitet habe, habe ich am Anfang immer gesagt, dass ich davon ausgehen, dass ich als Frau gleich viel verdiene, was mir immer bestätigt wurde.

Was müssen Frauen in Leitungspositionen aus Ihrer Sicht beachten?

Sich nicht in eine Rolle drängen lassen. Es geht darum, seine eigene Rolle zu finden.

Herzlichen Dank an Prof. Dr. Claudia Perren für das Interview und die inspirierenden Antworten!

Interview von Ina Bandixen