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«The teachings of
Fumio Inagaki»
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Fumio Inagaki»
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«The teachings of
Fumio Inagaki»
Behind the scenes:
«The teachings of
Fumio Inagaki»
von links nach rechts:
Ibrahim Yaghi & Beatrice Blackwell
Fumio Inagaki
bei der Vorbereitung

Die Idee Fumio Inagaki filmisch zu dokumentieren, entstand während seinen Ballettstunden. Beatrice Blackwell lernte den heute fast 90-jährigen Ballettlehrer, in seinem Ballettunterricht 2011 kennen. Sie war professionelle Tänzerin zu der Zeit und fasziniert von Fumio’s Unterricht. Seine Art zu unterrichten ist sehr faszinierend, aufgrund dessen nimmt sie noch heute Unterricht bei ihm.

Fumio arbeitet schon über 50 Jahre am Opernhaus Zürich. Tänzer*innen jeglichen Alters, Profis wie Laien werden von ihm gecoacht und unterrichtet. Während seinen Stunden vermittelt er zusätzlich zum Ballett auch Lebensphilosophie und Weisheiten.

Das erste buddhistische Zentrum in Zürich wurde von Fumio Inagaki aufgebaut. Für seine Gemeinschaft praktiziert und leitet er jeden morgen Mantras.

Wer ist der Mann, der in diesem hohen Alter immer noch so aktiv ist?

Im Interview mit der Filmproduzentin Beatrice Blackwell stellt Sie ihr Projekt über dem Zürcher Tanzlehrer Fumio Inagaki vor. Ein Interview über Spiritualität, Politik und die Auswirkungen von COVID-19.

*

Out & About: Wie würdest du für dich das Tanzen beschreiben?

Beatrice Blackwell: Tanzen ist für mich Identität, Ausdruck meiner Emotionen, Verarbeitung und Zelebration des Lebens. Wenn wir tanzen verbinden wir uns mit unserer Umgebung. Wir können fliegen wie ein Vogel oder werden zu Stein.

Besonders wichtig für mich ist die spirituelle Ebene, die mich am Tanz so fasziniert und gerade in klassischen Ballettabhandlungen immer wieder interpretiert wird.
Der Geisteskörper, der eigentlich gar kein Körper ist, wird über die lebendige Tänzerin verkörpert. Ein körperloses Wesen zu verkörpern, bringt mich in einen spirituellen Zustand. Ich kann beim Tanzen in meinen Körper hinein lauschen und mich losgelöst von ihm von außen betrachten und mich mit verschiedenen Zeit- und Raumebenen verbinden. Der Tanz wird von Körper zu Körper weitergegeben. Das macht ihn so lebendig, aber auch flüchtig..

«Für mich ist Tanz ein Ausdruck meiner spirituellen Welt. Ich kann mich im Tanz mit der unsichtbaren Welt verbinden und aus diesen Erkenntnissen, Inspiration schöpfen. Ich denke Tanz ist politisch noch nie so wichtig gewesen wie aktuell.»

 Wie haben sich deine Wege mit Fumio Inagaki gekreuzt?

Ich selbst war professionelle Tänzerin und habe an der gleichen Ballettschule wie Fumio unterrichtet. Da mich seine Präsenz so faszinierte, bin ich selbst wieder zur Schülerin geworden.

Hat sich deine Sicht auf das Tanzen über die Jahre verändert? 

Früher habe ich mich im Tanzen ausgepowert. Ich war grenzenlos in meinem Körper. Ich fühlte mich unendlich, es war schwierig, mir eigene Grenzen zu setzen. Es hat ein paar körperliche Verletzungen und Abnutzungserscheinungen gebraucht, um zu begreifen, dass mein Körper Grenzen hat, dass diese Grenzen mir jedoch ermöglichen, mich auf die Essenz zu konzentrieren.
Die Schwangerschaft und Geburt meiner Tochter haben mir sehr geholfen, eine andere Sicht auf meine Körperlichkeit zu finden und den Tanz neu zu definieren.

Wie bist du auf die Idee gekommen, den Tanz mit Spiritualität und Politik zu verknüpfen?

Für mich ist Tanz ein Ausdruck meiner spirituellen Welt. Ich kann mich im Tanz mit der unsichtbaren Welt verbinden und aus diesen Erkenntnissen, Inspiration schöpfen. Ich denke Tanz ist politisch noch nie so wichtig gewesen wie aktuell. Während und schon vor der Covid Ära, befand sich der Tanz, vor allem in der Schweiz, an letzter Stelle der visuellen, bildenden und bewegten Künste. Die Wurzeln liegen weit in unserer europäischen Geschichte zurück. Die Christianisierung, die seit dem zweiten Mittelalter die Verteufelung des Körpers und sein Ausdruck postulierte, dann später der koloniale Gedanke, der uns diktierte, welche Körperlichkeit uns definiert, damit wir «zivilisierte» Menschen werden und sein müssen. Es geht bei solchen politischen Idealen immer auch um Körperzüchtigung. Nun haben wir durch den Lockdown erfahren, wie wichtig Berührung ist, die eine gemeinsame Zelebration des Lebens verkörpert. Genau das ist Tanz, in die Bewegung unseres Körpers zu atmen und mit den anderen verschmelzen, um die eigenen Grenzen zu spüren.

«Wir sind Natur und der Tanz eine Ausdrucksform uns mit ihr zu kommunizieren in dem wir ihre Gestalten annehmen und so einen direkten Zugang über unseren Körper finden. Da wird dann auch eine Blume zu einem beseelten Wesen.»

Fumio Inagaki vergleicht die Tanzschritte mit schwungvollen und kräftigen Blumen. Kannst du genauer erklären, wieso er diese Referenz gemacht hat?

Fumio geht sogar so weit Menschen mit Blumen und Pflanzen zu vergleichen. Er kommt aus einer buddhistischen Tradition, hat aber durch seinen Lebenslauf eher eine schintoistische Philosophie.

«Fumio als meinen Mentor zu haben hat meine Erfahrungen im klassischen Ballett und Tanz allgemein tief geprägt. Dabei hat sich vor allem die spirituelle Komponente des Tanzes herauskristallisiert.»

Wie schon erwähnt, handeln viele klassische Ballett Narrativen von mystischen Gestalten in der Natur (Klassische und Romantische Ära). Ausserdem stammt Fumio aus einer Bauernfamilie und zelebriert Ikebana, eine uralte Blumensteckkunst aus Japan, seinem Heimatland. Die Lehre der Ästhetik beruht auch auf den Prinzipien der Natur. Wir sind Natur und der Tanz eine Ausdrucksform uns mit ihr zu kommunizieren in dem wir ihre Gestalten annehmen und so einen direkten Zugang über unseren Körper finden. Da wird dann auch eine Blume zu einem beseelten Wesen.

Wie hast du mit deinem Team die verschiedenen Szenen im Film geplant und danach im Schnitt umgesetzt?

In der Zusammenarbeit mit einem unkonventionellen Team, haben wir versucht Fumios Wesen und Botschaft filmisch zu transportieren. Ästhetisch und zugleich poetisch wollte ich Fumios Leben porträtieren.

Die Bilder sollen für sich sprechen. – Eine meditative Reise – wie eine Ballettaufführung oder ein Mantra. Ich habe zusammen mit einem ehemaligen Kriegs- und Kamerareporter gefilmt und schreibe schon seit einigen Jahren über Fumios Biografie.

Dann kam der Lockdown. Das hat alles auf den Kopf gestellt. Es war auch nicht klar, ob mein Kameramann ausgeschafft wird. Ausserdem durfte Ibrahim Yaghi nicht offiziell arbeiten. Er ist ein politischer Flüchtling aus dem Gaza Streifen und ich fand es sehr spannend und auch bewegend, wie ein Mensch der in einem Kriegsgebiet aufgewachsen ist, Zerstörung und Gewalt erlebt und gefilmt hat, das Ballett registriert.

Die Co-Produzentin und Regisseurin Lydja Burczack hat ebenfalls an der gleichen Universität, an der ich vor Jahren Kunst studierte, ethnische Filmdokumentation studiert. Der Kameramann ist ursprünglich Fotograf.

Ich hatte schon klare Vorstellungen und Skizzen für eine weitere Registrierung von Fumios Leben. Es war geplant, weiterhin im Opernhaus die verschiedenen Ballett Tänzerinnen mit denen Fumio arbeitete, zu filmen. Leider war dies wegen den Covid Einschränkungen nicht möglich.

Da Fumio die Tänzerinnen mit Blumen und Pflanzen vergleicht und viele Abhandlungen die Natur thematisieren, haben wir draußen gefilmt und getanzt.

Die Studioaufnahmen wurden mit den Schülerinnen und Lehrerinnen vom Off Dance Studio aus Zürich gedreht.

Welche Situation würdest du als Schlüsselmoment definieren, der die für die Zuschauer*innen einen bleibenden Eindruck hinterlassen?

Der Moment, in dem die Zuschauer*in realisiert, wie alt Fumio ist und welche Qualität seine körperlich Reife auf seinen Unterricht hat, definieren die Berührungspunkte zwischen dem alternden und jugendlichen Körper.

Was waren die Auswirkungen der fehlende Finanzierung für die Inszenierung des Films?

Die Aufzeichnungen zur Doku habe ich selbst finanziert. Alle Mitwirkenden haben freiwillig gearbeitet und mit investiert.

Mein Wunsch und Ziel ist, als nächster Schritt mit Hilfe finanzieller Unterstützung, das über 10-stündige Material, welches ich zusammen mit verschieden Kamerateams aufgenommen habe, zu schneiden, um eine längere Doku über Fumio zeigen zu können.

Was für Tipps würdest du jungen Filmemacher*innen auf dem Weg geben, die einen Hintergrund in der Kunst haben?

Die Bilder sollen für sich sprechen. Ein Film über Kunst sollte vordergründig die Sinne berühren.

Was denkst du können Zuschauer*innen von dem Film mitnehmen, dass ihr Leben nachhaltig verändern könnte?

Die Zelebration gemeinsamer Rituale, die durch die kollektive Erfahrung der Pandemie so kostbar geworden sind. Unser fragiler wunderbarer Körper, der durch jeden Atemzug den Moment einatmet und lebt. Die Berührung zwischen Jugend und Vergänglichkeit, die unabdingbar in unseren Leben ist. Unsere Träume zu leben.

Was für Auswirkungen hat dieser Film auf dein weiteres künstlerisches Schaffen?

Fumio als meinen Mentor zu haben hat meine Erfahrungen im klassischen Ballett und Tanz allgemein tief geprägt. Dabei hat sich vor allem die spirituelle Komponente des Tanzes herauskristallisiert. Der Tanz als Transportmittel, der unseren Körper durch eine kollektive Transzendenz und Transformation führt.

Wo kann man euch folgen, mitarbeiten oder auch finanziell unterstützen?

Ich bin für neue weitere zusammenarbeiten mit verschiedensten Medienkünstlerinnen Filmer*innen etc. offen und fände es auch spannend das Projekt wieder aufzunehmen und weiterzuentwickeln.

Vielen Dank für das spannende Interview!

Interview von Martha Kapfhammer